Offener Brief an Thorbjørn Jagland

Sehr geehrter Herr Generalsekretär,

Seit dem 1. März 2012 befinden sich in Straßburg 15 Kurdinnen und Kurden in einem unbefristeten Hungerstreik, mit dem sie gegen die Politik des türkischen Staates gegenüber dem kurdischen Volk protestieren.

Obwohl die kurdische Frage das Hauptproblem der Türkei darstellt, wurde sie bislang nicht gelöst. Der Hauptgrund hierfür ist die Verweigerung der Anerkennung der universellen Rechte und Freiheiten für die kurdische Bevölkerung durch den türkischen Staat. Allein auf dem Staatsgebiet der Türkei leben ca. 15 Mio. Kurden. Infolge einer auf militärische Gewalt zentrierten Politik haben bislang Zehntausende kurdische und türkische Menschen ihr Leben verloren; Millionen von Kurden wurden aus ihrer Heimat vertrieben.

Das kurdische und das türkische Volk, wie auch weitere in der Türkei lebende Völker, sehnen sich nach einer friedlichen und demokratischen Lösung der kurdischen Frage.

Ansprechpartner für die Lösung der kurdischen Frage sind gegenwärtig die AKP- Regierung und Abdullah Öcalan. Die Tatsache, dass die AKP in der Türkei alleine die Regierung stellt, und dass Herr Öcalan von einem Großteil der Kurden als politischer Vertreter akzeptiert wird, bewirkt, dass diese beiden Parteien die Hauptakteure und Schlüsselfaktoren für eine politische Lösung des Konfliktes sind. Daher fand in den letzten Jahren eine Phase des Dialogs und der Verhandlungen zwischen dem türkischen Staat und Herrn Öcalan statt. Auch wenn eine positive Entwicklung ihren Anfang nahm, scheiterten die Bemühungen schließlich. Seit dem 27. Juli 2011 wird eine totale Isolationspolitik gegen die Gefangenen auf der Gefängnisinsel Imrali praktiziert, in deren Rahmen Abdullah Öcalan auch sämtliche Anwaltsbesuche verweigert werden.  Im Dezember 2011 wurden zusätzlich 36 Anwälte Abdullah Öcalans inhaftiert.

Sehr geehrter Herr Generalsekretär,

die Tatsache, dass bezüglich der kurdischen Frage erneut eine Politik des Krieges und der völligen Isolation seitens der türkischen Regierung praktiziert wird, versetzt die Kurden und die Öffentlichkeit in Europa verständlicherweise in große Sorge. Das Leben, die Gesundheit sowie die Sicherheit von Herrn Öcalan sind dabei von zentraler Bedeutung. Gegenwärtig sind der Europarat und das CPT die einzigen Institutionen, die diese Sorgen der kurdischen Bevölkerung bezüglich der Situation von Herrn Öcalan aufheben können.
Auch wir teilen diese Sorge und rufen das CPT dazu auf, schnellstmöglich auf die Gefängnisinsel Imrali zu fahren, die Situation von Herrn Öcalan vor Ort zu untersuchen und die Ergebnisse ihrer Reise und Untersuchung der Öffentlichkeit mitzuteilen.

Verehrte Exzellenz,

folglich rufen wir den Europarat und Sie in ihrer Funktion als Generalsekretär dazu auf, die kurdische Frage auf ihre Tagesordnung zu nehmen und sich mit allen ihren Möglichkeiten für deren Lösung mittels eines Dialogs einzusetzen.
In der Erwartung und Hoffnung, dass unsere Bedenken und Forderungen Gehör finden, verbleiben wir,

Hochachtungsvoll,

UnterzeichnerInnen:

–       Prof.Dr.h.c.Ronald Mönch, Bremen

–       Prof. Dr. Georg Auernheimer, Traunstein

–       Prof. Dr. Wolf-Dieter Narr, Berlin

–       Prof. Dr. Werner Ruf, Edermuende

–       Prof. Dr. Wolfgang Dressen, Düsseldorf

–       Prof. Dr. Thomas Sablowski, Frankfurt/M.

–       Dr. h.c. Hans-Christof Graf von Sponeck, Lehrbeauftragter und Autor, Müllheim

–       Dr. Magdalena Klupp, Tübingen

–       Dr. Dr. med. Rassoul Faki, Falkensee

–       Joachim Guilliard, Autor, Heidelberg

 

 

 

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